Ein computerbasiertes Trainingsprogramm für Kinder mit
Lese-Rechtschreibschwierigkeiten.

Two kids using the Lautarium

Lautarium

  • Maria Klatte
  • Claudia Steinbrink
  • Kirstin Bergström
  • Thomas Lachmann

Entwickelt am Lehrstuhl Kognitive und Entwicklungspsychologie
Technische Universität Kaiserslautern

Erhältlich beim Hogrefe-Verlag, im regulären Buchhandel oder online

Die Entwicklung des Programms wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung

  • Wirksame Hilfe bei Lese-Rechtschreibschwierigkeiten: Die Wirksamkeit von Lautarium wurde in mehreren Studien belegt.
  • Wissenschaftlich fundiert: Entwicklung des Programms basiert auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
  • Motivierend gestaltet: Aufrechterhaltung der Motivation durch direktes Feedback über Lernerfolge und attraktives Belohnungssystem in Form eines virtuellen individuellen Aquariums.
  • Selbstständig durchführbar: Automatische Übungsauswahl und interaktive Instruktionen ermöglichen eine selbstständige Durchführung des Programms.
  • Adaptiv: Die Übungsauswahl erfolgt adaptiv in Abhängigkeit vom aktuellen Leistungsstand des Kindes.
  • Aufmerksamkeitsfokussierend: Bewusst einfache Gestaltung ohne ablenkende Reize ermöglicht die Aufmerksamkeitsfokussierung auf die Übungen und Maximierung der tatsächlichen Lernzeit.

Was ist Lautarium?

Lautarium ist ein Computerprogramm zur Förderung von Grundschulkindern mit Lese-Rechtschreibstörung (LRS) und Kindern mit erhöhtem LRS-Risiko. Das Programm Lautarium basiert auf dem internationalen Forschungsstand zu Ursachen und Interventions- und Präventionsmöglichkeiten bei LRS. Die Entwicklung und Evaluation von Lautarium erfolgte im Rahmen eines Drittmittelprojekts im BMBF-Schwerpunktprogramm „Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten“. Weiterführende Informationen zu diesem Schwerpunktprogramm sind auf den Internetseiten der Forschungsinitiative Enwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten abrufbar.

Was bedeutet Lese-Rechtschreibstörung?

Bei der Lese-Rechtschreibstörung handelt es sich um eine umschriebene Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten, die durch massive und dauerhafte Schwierigkeiten im Erwerb des Lesens und Rechtschreibens gekennzeichnet ist. Diese Schwierigkeiten sind nicht durch allgemeine Intelligenzminderung, fehlende Motivation der unzureichende schulische Unterweisung erklärbar. Die Prävalenz der Lese-Rechtschreibstörung liegt bei 4 bis 8 Prozent. Als Folge dieser Entwicklungsstörung erreichen die Betroffenen in den meisten Fällen nicht die ihren intellektuellen Fähigkeiten entsprechenden Ausbildungsabschlüsse und Beschäftigungsniveaus (Esser, Wyschkon & Schmidt, 2002).

Was genau trainiert Lautarium, und was ist der theoretische Hintergrund?

Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Lese-Rechtschreibstörung (LRS) aus einem „Kerndefizit“ im Bereich der Repräsentation und Verarbeitung von Sprachlauten, d.h. aus einem phonologischen Defizit, resultiert (Vellutino, Fletcher, Snowling & Scanlon, 2004). Kinder und Erwachsene mit LRS zeigen schlechtere Leistungen in Aufgaben zur Phonemwahrnehmung (z.B. Erkennen von Silben und Wörtern im Störgeräusch), zur phonologischen Bewusstheit (z.B. Wörter in Laute zerlegen oder Laute zu Wörtern verbinden), zum sprachlichen Kurzzeitgedächtnis (z.B. Nachsprechen von Kunstwörtern) und zum schnellen Abruf von phonologischen Repräsentationen aus dem Langzeitgedächtnis (z.B. schnelles Benennen von Bildern).

In zahlreichen Interventionsstudien mit von LRS betroffenen Kindern wurde versucht, die beeinträchtigten phonologischen Fähigkeiten zu trainieren, um dadurch eine Verbesserung der schriftsprachlichen Leistungen zu erzielen. Hierbei erwiesen sich die Phonemwahrnehmung und die phonologische Bewusstheit als trainierbar, und bei bestimmten phonologischen Trainingsaufgaben ließen sich Transfereffekte auf die Lese- und Rechtschreibleistungen der Kinder erreichen. Als besonders effektiv zur Förderung der schriftsprachlichen Leistungen von Kindern mit LRS erwiesen sich Trainingsprogramme, die sowohl phonologische Übungen als auch eine schrittweise Vermittlung der Graphem-Phonem-Zuordnungen beinhalten (vgl. Torgerson, Brooks & Hall, 2006).

Close-Up of the User Interface

Bei der inhaltlichen und formalen Ausgestaltung von Lautarium wurden diejenigen Aspekte weitmöglichst berücksichtigt, die sich in der internationalen Forschung zu Interventionsmaßnahmen bei LRS als vielversprechend erwiesen haben. Dementsprechend umfasst Lautarium aufeinander aufbauende Übungen zur Phonemwahrnehmung und phonologischen Bewusstheit sowie Übungen zur Graphem-Phonem-Zuordnung und zum Lesen und Schreiben lautgetreuer Wörter. Zusätzlich zu den aufeinander aufbauenden Übungen, wird das schnelle Worterkennen anhand der Übung „Blitzlesen“ einmal am Tag trainiert. Die Verbindung zwischen phonologischen und orthographischen Inhalten wird frühzeitig hergestellt, und bereits Geübtes wird in späteren Trainingsphasen im Rahmen komplexerer Aufgaben wieder aufgegriffen und gefestigt. Das Programm basiert auf umfangreichem Bild- und Sprachmaterial (ca. 8.000 Aufnahmen von Realwörtern und Pseudowörtern einfacher und komplexer Silbenstruktur, gesprochen von professionellen Sprechern) sowie auf unterschiedlichen Bausteinen, die Laute bzw. die zugehörigen Basisgrapheme (Thomé, 2000) repräsentieren. Das Programm ist adaptiv gestaltet, sodass die trainierenden Kinder nicht über- oder unterfordert werden und die Trainingszeit optimal ausgenutzt wird.

Wie lange dauert das Training mit Lautarium?

Die Förderung mit Lautarium soll als Intensivtraining fünfmal wöchentlich für 20 bis 30 Minuten über einen Zeitraum von etwa acht Wochen erfolgen, da sich ein so strukturierter Trainingsplan in zahlreichen Evaluationsstudien bewährt hat. Zur Aufrechterhaltung der Motivation über den Trainingszeitraum ist Lautarium mit einem virtuellen Belohnungssystem ausgestattet, das einen Anreiz zur zügigen und möglichst fehlerfreien Bearbeitung der Aufgaben schafft: Für korrekte Lösungen gesammelte Punkte werden in virtuelles Geld eingetauscht, mit dem Fische, Pflanzen und andere Objekte zur Einrichtung eines animierten Aquariums „eingekauft“ werden können.

Close-Up of the User Interface

In welchen Kontexten kann das Training mit Lautarium durchgeführt werden?

Das Programm Lautarium kann im Rahmen der außerschulischen und schulischen Förderung eingesetzt werden. Die bisherigen Studien bestätigen die Praktikabilität des Programms für den schulischen Einsatz und die hohe Akzeptanz bei Lehrkräften, Eltern und Kindern. Da Instruktionen, Feedback, Aufgabenwahl etc. vom Programm selbst geleistet werden, können die Kinder das Programm quasi selbständig durcharbeiten. Es ist daher auch für den Einsatz im Elternhaus geeignet.

Gibt es Belege für die Wirksamkeit von Lautarium?

In der ersten Förderphase des Projekts wurden drei Studien mit dem Programm Lautarium durchgeführt. Im Rahmen einer ersten empirischen Prüfung (Klatte, Steinbrink, Bergström & Lachmann, 2013) konnte bestätigt werden, dass die im Programm enthaltenen Trainingsaufgaben die phonologischen Defizite von Kindern mit Lese-Rechtschreibstörung wie beabsichtigt abbilden: Leseschwache Grundschulkinder zeigten in allen Aufgaben schlechtere Leistungen als gleichaltrige Kontrollkinder mit mindestens durchschnittlichen Leseleistungen. Die Effektstärken der Gruppenunterschiede lagen im mittleren bis hohen Bereich. Die Trainingsaufgaben erwiesen sich somit als grundsätzlich geeignet, um phonologische Fähigkeiten bei Kindern mit Lese-Rechtschreibstörung zu fördern. Im nächsten Schritt wurden die Effekte des Trainings mit Lautarium auf die phonologischen und schriftsprachlichen Leistungen bei Grundschulkindern mit Lese-Rechtschreibstörung (Interventionsstudie 1) sowie bei unselektierten Erstklässlern (Präventionsstudie 1) untersucht (Klatte et al., 2014). In beiden Studien wurde ein Kontrollgruppendesign mit drei Messzeitpunkten realisiert: Vortest vor Trainingsbeginn, Nachtest 1 unmittelbar nach Trainingsende, Nachtest 2 zehn Wochen nach Trainingsende.

An Intervenionsstudie 1 nahmen 41 von Lese-Rechtschreibstörung betroffene Drittklässler teil. Die Kinder, die mit dem Programm trainierten (N=20) zeigten in beiden Nachtests im Vergleich zur Kontrollgruppe (N=21) bessere Leistungen in Untertests zur Phonemwahrnehmung, phonologischen Bewusstheit und lautgetreuen Rechtschreibung. Weiterhin zeigten die Kinder der Trainingsgruppe im Nachtest 2 signifikant bessere Leistungen im Vorlesen von Wörtern und Pseudowörtern. An Präventionsstudie 1 nahmen Erstklässler teil, da geprüft werden sollte, ob das Programm prinzipiell auch zur Unterstützung des beginnenden Schriftspracherwerbs geeignet ist. Im Vergleich zur Kontrollgruppe (N=35) zeigten die Kinder der Trainingsgruppe (N=41) in beiden Nachtests bessere Leistungen in Untertests zur phonologischen Verarbeitung und zum Lesen und Rechtschreiben.

Advisors teaching a kid how to use the Lautarium

Insgesamt erwies sich das Training somit in beiden Gruppen als effektiv. Die Studien ergaben aber auch Hinweise auf Optimierungsmöglichkeiten des Programms für beide Zielgruppen, die im Rahmen der zweiten Förderphase des Projekts umgesetzt wurden. Zudem wurde in der zweiten Förderphase weitere Evaluationsstudien zur Wirksamkeit des Trainings mit Lautarium bei Kindern mit Lese-Rechtschreibstörung sowie bei Kindern, die nach dem ersten Grundschuljahr erhebliche Probleme mit dem Schriftspracherwerb zeigen, durchgeführt (Interventionsstudie 2 und Präventionsstudie 2).

In Interventionsstudie 2 (N = 41) wurde wieder ein Kontrollgruppendesign mit drei Messzeitpunkten realisiert (Vortest vor Trainingsbeginn, Nachtest 1 unmittelbar nach Trainingsende, Nachtest 2 zehn Wochen nach Trainingsende). Interventionsstudie 2 (N = 41), in der die optimierte Programmversion eingesetzt wurde, bestätigte signifikante Trainingseffekte mittlerer bis hoher Effektstärken in der phonologischen Bewusstheit und im Rechtschreiben. Die Kinder der Trainingsgruppe verbesserten ihre Rechtschreibleistung um durchschnittlich 10 T-Wertpunkte.

Präventionsstudie 2 wurde als Wartegruppendesign mit Zweitklässlern (N = 99) aus zwei Grundschulen in Einzugsgebieten mit vergleichsweiser schwacher Sozialstruktur durchgeführt. Die Kinder der einen Schule absolvierten das Lautarium-Training zu Beginn des Schuljahres. Nach Ende des Trainingszeitraums zeigten diese Kinder im Vergleich zur Wartegruppe signifikant stärkere Lernzuwächse in der Rechtschreibung, nicht jedoch im Lesen und in der phonologischen Bewusstheit. Da Analysen der Trainingsdaten ergaben, dass nur wenige Kinder das Lautarium im vorgesehenen Zeitraum abgeschlossen hatten, wurde das Lautarium nochmals modifiziert, um ein zügigeres Durcharbeiten zu ermöglichen. Am Schuljahresende absolvierten die Kinder der Wartegruppe das Lautarium-Training mit der veränderten Programmversion. Nach Abschluss dieser Trainingsphase zeigten die Kinder der Wartegruppe signifikant stärkere Lernfortschritte in der phonologischen Bewusstheit und im Lesen und Rechtschreiben als die Kinder der anderen Gruppe. Die Effektstärken lagen im mittleren bis hohen Bereich.

Wo kann ich weitere Informationen erhalten?

Diese Seiten werden kontinuierlich aktualisiert. Weiterführende Informationen erhalten Sie über die Publikationen zum Projekt sowie auf den Internet-Seiten der Forschungsinitiative Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten.

Publikationen zum Programm Lautarium

  • Konerding, M., Bergström, K., Lachmann, T. & Klatte, M. (2022). Schulische Förderung bei Lese-Rechtschreibschwierigkeiten mit Lautarium: Randomisierte Evaluationsstudie und Lehrkräftebefragung. Lernen und Lernstörungen, 11, CD009115. https://doi.org/10.1024/2235-0977/a000392
  • Konerding, M., Bergström, K., Lachmann, T., & Klatte, M. (2021). Wirksamkeit des computergestützten grapho-phonologischen Trainingsprogramms Lautarium bei Kindern mit Lese-Rechtschreib-Störung [Effects of a computer-based grapho-phonological training in German children with developmental dyslexia]. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 70(4), 333-355. https://doi.org/10.13109/prkk.2021.70.4.333
  • Konerding, M., Bergström, K., Lachmann, T. & Klatte, M. (2020). Lesen und Schreiben lernen mit Lautarium: Ein computerbasiertes Trainingsprogramm für Kinder mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten. Praxis Schulpsychologie, 24, 13.
  • Konerding, M., Bergström, K., Lachmann, T., & Klatte, M. (2020). Effects of computerized grapho-phonological training on literacy acquisition and vocabulary knowledge in children with an immigrant background learning German as L2. Journal of Cultural Cognitive Science, 4(3), 367–383. https://doi.org/10.1007/s41809-020-00064-3
  • Klatte, M., Bergstroem, K., Steinbrink, C., Konerding, M., & Lachmann, T. (2018). Effects of the computer-based training program Lautarium on phonological awareness and reading and spelling abilities in German second-graders. In T. Lachmann, & T. Weis (eds.). Reading and dyslexia. Literacy Studies, 16,pp. 317-333. Cham: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-319-90805-2_15
  • Klatte, M., Steinbrink, C., Bergström, K. & Lachmann, T. (2016). Lautarium: Ein computerbasiertes Trainingsprogramm für Grundschulkinder mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten. In: Hasselhorn, M. & Schneider, W. (Hrsg.). Förderprogramme für Vor- und Grundschule: Tests und Trends. Jahrbuch der pädagogisch-psychologischen Diagnostik. Band 14 (S. 115-141). Göttingen: Hogrefe.
  • Klatte, M., Steinbrink, C., Prölß, A., Estner, B.,Christmann, C. & Lachmann, T. (2014). Effekte des computerbasierten Trainingsprogramms "Lautarium" auf die phonologische Verarbeitung und die Lese-Rechtschreibleistungen bei Grundschulkindern. In: Schulte-Körne, G. (Hrsg.). Legasthenie und Dyskalkulie - Neue Methoden zur Diagnostik und Förderung (S. 127-144). Bochum: Winkler.
  • Klatte, M., Steinbrink, C., Bergström, K., & Lachmann T. (2013). Phonologische Verarbeitung bei Grundschulkindern mit schwacher Lesefähigkeit. Lernen und Lernstörungen, 2, 199-215. https://doi.org/10.1024/2235-0977/a000045
  • Eine Darstellung des Programms Lautarium findet sich auch in folgendem Buch (S. 178 – 179): Steinbrink, C. & Lachmann, T. (2014). Lese-Rechtschreibstörung: Grundlagen – Diagnostik- Intervention. Heidelberg: Springer VS.

Literatur

  • Esser, G., Wyschkon, A. & Schmidt, M. H. (2002). Was wird aus Achtjährigen mit einer Lese- und Rechtschreibstörung. Ergebnisse im Alter von 25 Jahren. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 31 (4), 235–242.
  • Thomé, G. (2000). Linguistische und psycholinguistische Grundlagen der Orthografie: die Schrift und das Schreibenlernen. In R. Valtin (Ed.). Rechtschreiben lernen in den Klassen 1-6. Grundlagen und didaktische Hilfen (S. 12–16). Frankfurt am Main.
  • Torgerson, C., Brooks, G. & Hall, J. (2006). A systematic review of the research literature on the use of phonics in the teaching of reading and spelling. Nottingham: DfES Publications.
  • Vellutino, F. R., Fletcher, J. M., Snowling, M.J. & Scanlon, D. M. (2004). Specific reading disability (dyslexia): What have we learned in the past four decades? Journal of Child Psychology and Psychiatry, 45 (1), 2-40.